Wie ernst nimmt Bergheim die Energiewende und den Klimaschutz?

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Der folgende Artikel wurde erstmals auf Schule intakt am 3.8.2020 veröffentlicht.

Die Stadtverwaltung verfolgt keine klare Linie. Das Klimaschutzkonzept von 2010 ist in Vergessenheit geraten.

1980, vor vierzig Jahren, erschien das Buch „Energiewende -– Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ von Florentin Krause, Hartmut Bossel und Karl-Friedrich Müller-Reißmann; 1994 “Wege zum Gleichgewicht. Ein Marshallplan für die Erde” von Al Gore; 1995 “Faktor Vier. Doppelter Wohlstand — halbierter Naturverbrauch” von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Amory B. Lovins und L. Hunter Lovins; 2006 “Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update” von Donella Meadows, Jorgen Randers und Dennis Meadows.

Umwelt- und Klimaschutz hätte man auf dem Schirm haben können, lange bevor Greta Thunberg 2018 die Bühne der Welt betrat.

Bergheim liegt mitten im Rheinischen Braunkohlerevier. Die Tagebaue Garzweiler und Hambach sind nicht weit entfernt. In Bergheim-Niederaußem bollert seit 1963 ein Braunkohlekraftwerk von RWE Power. Etwas weiter nördlich, in Grevenbroich-Neurath, arbeitet ein weiteres Kraftwerk von RWE. Hier wurden erst 2012 weitere Blöcke (“BoA 1 und BoA 2”) errichtet und in Betrieb genommen. Bis 2038 sollen schrittweise alle Blöcke dieser beiden Kraftwerke abgeschaltet werden. Ob man will oder nicht — Bergheim kommt um den Kohleausstieg nicht herum. Die Frage ist, was die Kreisstadt Bergheim bisher im Hinblick auf die Energiewende und den Klimaschutz getan hat und welche Ziele sie diesbezüglich verfolgt. Wir haben ein wenig auf den Internetseiten der Stadt Bergheim gestöbert:

Auf der Internetseite der Stadt findet man unter Stadtentwicklung den Eintrag “Strukturwandel & Klimaschutz”. Auf dieser Seite werden die Leiterin der Stabsstelle Strukturwandel & Klimaschutz und der Klimaschutzbeauftragte vorgestellt. Unter “Klimaschutz” findet sich lediglich ein einseitiges Dokument (“Auf ein Wort”) des Klimaschutzbeauftragten. Darin heißt es unter anderem:

Wir gestalten unsere Kreisstadt Bergheim klimaneutral, als Lebensgrundlage zukünftiger Generationen und für ein neues gesundes, ganzheitliches und gutes Lebensgefühl. Wir, das ist zunächst das Team um Dr. Ruth Laengner, Leiterin der Stabsstelle „Strukturwandel und Klimaschutz“. […]

Mit dem Grundsatzbeschluss des Rates zum Klimaschutz der Kreisstadt Bergheim wird die Frage der Klima-Verträglichkeit konsequent ins Zentrum der kommunalen Handlungsfelder gerückt und das bei sämtlichen Entscheidungen. Dieser sehr weitreichende Beschluss mit einem klaren Bekenntnis zum Klimaschutz ist für Bergheim richtungsweisend.

Konkrete Ziele, Pläne oder Konzepte werden nicht genannt — auch nicht im Grundsatzbeschluss1 zum Klimaschutz des Bergheimer Stadtrates vom 10.02.2020. Dass die Stadt “klimaneutral” werden soll, wird darin gar nicht gesagt.

Unter “Strukturwandel” finden sich auf der genannten Internetseite drei Punkte:

  • Bergheim im Strukturwandel,
  • Entwurf eines Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen,
  • Wirtschafts- und Strukturprogramm für das Rheinische Zukunftsrevier 1.0.

Das Wirtschafts- und Strukturprogramm stammt nicht von der Stadt Bergheim, sondern von der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (siehe unten). Der Entwurf eines Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen stammt vom Bundeswirtschaftsministerium mit Datum vom 27.08.2019. Vor einem Monat haben der Deutsche Bundestag und der Bundesrat das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ verabschiedet, wie das Ministerium mitteilt.

Lediglich für den Punkt “Bergheim im Strukturwandel” ist die Stadt Bergheim selber verantwortlich. Dieser Link führt zu der gleichnamigen Powerpointpräsentation der Leiterin der Stabsstelle Strukturwandel & Klimaschutz mit Datum vom 04.02.2020. Sie ist eine typische Powerpointpräsentation: fragwürdig und unterkomplex. Ein durchdachter, zusammenhängender Plan fehlt. Ein paar detaillierte Anmerkungen zu der Präsentation haben wir unten im Anhang (1.) aufgeführt.

Sowohl in der Powerpointpräsentation als auch auf der Internetseite wird auf die “Zukunftsagentur Rheinisches Revier” (ZRR) hingewiesen. Laut eigenen Angaben entwickelt die Zukunftsagentur Rheinisches Revier “Leitbilder, Innovationsstrategien und Handlungskonzepte und unterstützt den Strukturwandel durch Initiierung und Durchführung von Projekten. Die Zukunftsagentur arbeitet eng mit ihren Partnern aus der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Politik und den Verbänden innerhalb und außerhalb der Region zusammen.” Die Stadt Bergheim gehört laut ZRR-Angaben weder der Gesellschafterversammlung noch dem Aufsichtsrat der ZRR an. Der Rhein-Erft-Kreis ist an 17 der insgesamt 83 Projekte des ZRR-SofortprogrammsPLUS beteiligt oder davon betroffen. Zumindest zwei der möglicherweise vielversprechenden Projekte — die “Digitalisierung des neu zu gründenden Gemeinschaftsstadtwerkes Bergheim, Elsdorf, Bedburg” sowie “INKA: terra nova ‘Klimahülle'” — betreffen Bergheim. Dies geht aus der Pressemitteilung der Stadt vom 20.07.2020 hervor. Die Projekte wären überzeugender, wenn die Pressemitteilung auf die teilweise unverständliche bis abstoßende Werbe- und Marketingsprache verzichten würde. “Kraftraum”, “maximal forciert”, “innovative Klimahülle”, “Anker- und Leuchtturmprojekt”, “adressbildend”, “Inkubator”, “Markenarchitektur”, “überregionales Aushängeschild”, “zeichenhaftes, regionales Impulsprojekt”, “Pull-Faktor” — das ist viel Wortgeklingel. Will man mit dieser Sprache Bürger informieren und zur Beteiligung anregen oder nur bequatschen? Weiß ein Laie, was ein “systemdienliches (virtuelles) Flächenkraftwerk” ist? Was ist eine “Klimahülle”?

Wir halten fest: Auf der Homepage der Stadt Bergheim findet man unter dem Menüpunkt “Strukturwandel & Klimaschutz” ein Grußwort des Klimaschutzbeauftragten und die fragwürdige, unterkomplexe Präsentation “Bergheim im Strukturwandel”.2 Eigene konkrete Ziele, Pläne oder Konzepte finden sich an dieser zentralen Stelle nicht.

Wenn man mit Hilfe der Suchfunktion auf der Homepage der Stadt Bergheim nach “Energie”, “Klimaschutz” oder “Photovoltaik” sucht, ergibt sich kein besseres Bild. Es begegnet einem erstaunlich viel altes Zeug. Zum Beispiel findet sich auf der Seite “Energiebericht” ein Energiebericht für das Jahr 2009. Auf der Seite wird auf den “aktuellen Energiebericht” hingewiesen. Der Link führt zum “Energiebericht 2011 der Kreisstadt Bergheim”. Neuere Energieberichte sind nicht zu finden. Weitere Ergebnisse unserer Recherche haben wir unten im Anhang (2.) aufgeführt.

Was besonders merkwürdig ist: Wenn man nach “Photovoltaik” sucht, erhält man als ersten Treffer eine Meldung zu einem Ereignis aus dem Jahr 2012:

Als Zeichen für ihr umfangreiches Engagement im Bereich Klimaschutz und Energie ist die Kreisstadt Bergheim den European Energy Award ausgezeichnet worden. Durch das Qualitätsmanagmentprogramm werden alle Klimaschutzmaßnahmen der Stadt erfasst, bewertet, geplant, gesteuert und überprüft.

Es ist die Rede von einem “integrierten Klimaschutzkonzept”:

Die Erstellung eines integrierten Klimaschutzkonzept mit einen Maßnahmenplan für Klimaschutzaktivitäten bis 2020 kann als ein Meilenstein auf dem Weg, regionale Klimaschutzziele zu erreichen, bezeichnet werden.

Sucht man nach “Klimaschutzkonzept”, findet sich die Seite “Entwicklung eines integrierten Klimaschutzkonzepts” (vermutlich aus dem Jahr 2010). Da heißt es unter anderem:

Im September 2010 wurde das Konzept mit einem Maßnahmenplan bis 2020 im zuständigen Ausschuss verabschiedet. Der Maßnahmenplan wird jetzt schrittweise, je nach Haushaltslage, umgesetzt. Geplant für die nächsten Jahre sind die weitere Erneuerung der Straßenbeleuchtung, die Entwicklung von Standards für die energetische Sanierung stadteigener Gebäude, Energiesparprojekte mit Schulen, weitere Förderung des Radverkehrs und der Elektromobilität etc..

Das Klimaschutzkonzept selber findet man auf der Homepage der Stadt Bergheim nicht. Warum wird es noch nicht einmal an zentraler Stelle, unter dem Menüpunkt “Strukturwandel und Klimaschutz”, erwähnt? Spielt es keine Rolle (mehr)? Wer das Klimaschutzkonzept der Stadt Bergheim aus dem Jahr 2010 finden will, muss in den Protokollen des Stadtrates suchen (über kdvz-frechen.de). Inwiefern sind die darin vorgestellten Maßnahmen in den letzten Jahren umgesetzt worden? Darüber erfährt man nichts.

Apropos Photovoltaik (PV): Die Fraktion MDW!/Die Linke im Bergheimer Stadtrat hat am 12.11.2019 einen Antrag eingereicht. Der Beschlussvorschlag lautete:

Die Stadtverwaltung Bergheim wird beauftragt, eigene Gebäude und Freiflächen auf Ihre Eignung für Photovoltaik-Anlagen zu überprüfen und zügig Schritte zur Planung einzuleiten. Dieses schließt ausdrücklich die gerade in Bau bzw. in Planung befindlichen Gebäude sowie die Gebäude der von ihr beherrschten Gesellschaften (wie Stadtwerke Bergheim GmbH, BM Cultura GmbH und die Strom- und Gasnetzgesellschaft mbH) mit ein.

1. Um die Stromerzeugung mittels regenerativer Energien zu unterstützen, nutzt die Stadt Bergheim alle geeigneten Dächer und Fassadenseiner öffentlichen Gebäude entweder selber für die Produktion regenerativer Energie oder stellt diese privaten Investoren zur Errichtung von Photovoltaikanlagen zur Verfügung.
2. Die Verwaltung berichtet dem Rat bis Ende März, welche Dach- und sonstigen Flächen für Photovoltaik geeignet und welche ungeeignet sind sowie über die bis dahin eingeleiteten und die konkret geplanten Maßnahmen der Photovoltaikinstallation.

Die Stadtverwaltung nahm zu diesem Antrag Stellung (Auszug):

Neben einigen Windkraftanlagen betreibt SWBM [Stadtwerke Bergheim, A.R.] noch zwei große PV-Anlagen am Standort Kenten, eine PV-Anlage auf dem Sportlerheim in Glesch sowie den Solarpark in Zieverich.
Inwieweit weitere Freiflächen für Anlagen geeignet sind, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Für jede einzelne Fläche ist eine gesonderte Prüfung erforderlich
Die Verwaltung ist auf Grund mangelnder Ressourcen nicht in der Lage, die beantragte Frist zur Lieferung von entscheidungsfähigen Daten für weitere Dach- und sonstige Flächen einzuhalten.

Liebe Stadt Bergheim, die beantragte Frist (Ende März) konnte nicht eingehalten werden? Warum hatte die Stadt Bergheim die “entscheidungsfähigen Daten für weitere Dach- und sonstige Flächen” nicht schon längst parat?

In dem Klimaschutzkonzept (von 2010!) wird unter 3.2.4 der “Ausbau von Photovoltaik-Anlagen” behandelt. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen ist “Untersuchung Ausbau Photovoltaik und Solarthermie” (S. 75):

Die Kreisstadt Bergheim hat sich für den Ausbau bereits mit der Erstellung eines Solarkatasters eine gute Grundlage geschaffen. Das Instrument “Solarkataster” ist jetzt in eine breite Kampagne zu integrieren […].

In neun Jahren hat die Stadt es nicht hingekriegt, sich überzulegen, welche Dachflächen öffentlicher Gebäude für Photovoltaikanlagen geeignet sind?

Wir hätten da einen kleinen Tipp: Das Energie-Kompetenz-Zentrum Rhein-Erft-Kreis GmbH stellt einen Solardachkataster bereit. 2012 — lange ist’s her — hatte die Stadt Bergheim davon Kenntnis. In ihrer Mitteilung vom 24.01.2012 schrieb sie:

Ab März 2012 gibt es ein kreisweites Solardachflächenkataster für interessierte Hausbesitzer. […] Mit einem Solarkataster ist es für Hausbesitzer möglich, über eine einfach zu bedienende Abfragefunktion unter anderem die Größe, Ausrichtung und Neigung sowie den potentiellen Stromertrag, die installierbare Leistung in kWp und die CO2-Einsparung der einzelnen Dachseite abzufragen.

Weil die Stadtverwaltung die Frist bis Ende März angeblich nicht einhalten konnte, hat die Fraktion MDW!/Die Linke diese Frist aus dem Antrag gestrichen. Der Antrag wurde laut Niederschrift am 10.12.2019 im Ausschuss für Liegenschaften abgelehnt (6 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen). So klappt das garantiert mit der Energiewende und dem Klimaschutz!

Das alles deutet darauf hin, dass die Stadt Bergheim es nicht besonders ernst meint mit der Energiewende und dem Klimaschutz. Es reicht nicht aus, diese Dinge der Zukunftsagentur Rheinisches Revier zu überlassen. Eine Stadt, die das Ziel hat, den Ausstoß von CO2 auf ihrem Gebiet erheblich zu reduzieren oder sogar CO2-neutral zu werden, muss erheblich mehr bieten und eigene Initiativen entwickeln — wie zum Beispiel die Stadt Aachen oder die Stadt Monheim am Rhein. Unter “Energie · Klimaschutz” auf aachen.de finden sich neun Beiträge3, unter “Klimaschutz” auf monheim.de werden die Aufgaben des Klimaschutzmanagers sowie das “Integrierte Klimaschutzkonzept” ausführlich vorgestellt. Davon könnte sich Bergheim eine Scheibe abschneiden. Hier noch ein paar Ad-hoc-Anregungen:

  • alle öffentlichen Parkplätze mit mehreren Elektrotankstellen (auch für Fahrräder) ausstatten,
  • mehr innerstädtische Straßen mit Fahrradspuren versehen,
  • bestehende Radwege verbessern (zum Beispiel Schotter durch Asphalt ersetzen; durch Baumwurzeln verursachte Unebenheiten entfernen),
  • Busflotte der REVG auf Elektro- oder Wasserstoffbusse umstellen,
  • bei der Renovierung von Tankstellen: als Auflage der Stadt Wasserstofftanks einbauen,
  • Photovoltaikmodule auf jedes öffentliche Gebäude (sofern das Dach oder die Fassade dafür geeignet sind),
  • für neue öffentliche Gebäude: CO2-neutrale Wärmeversorgung (Solarthermie, Pellets- oder Hackschnitzelheizung mit Feinstaubfilter, Fernwärme),
  • bei Neubaugebieten: Blockheizkraftwerke mit Feinstaubfilter und/oder Nullenergiehäuser vorsehen,
  • Solardachkataster des Rhein-Erft-Kreises fortführen und nutzen: alle geeigneten Haushalte ansprechen und im Hinblick auf Photovoltaik und Solarthermie beraten,
  • bei öffentlichen Gebäuden: alte Heizungen durch CO2-neutrale Heizungen ersetzen,
  • bei privaten Haushalten: Anregung und Beratung im Hinblick auf CO2-neutrale Heizungen und Dämmung.



PS
Den allergrößten Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz hat übrigens die CDU-Fraktion im Bergheimer Stadtrat geleistet, indem sie im vergangenen Jahr den sechs Jahre alten Solarpark in Bergheim-Zieverich besuchte. “Schon lange vor den aktuellen Umwelt- und CO2-Diskussionen hat die Stadt Bergheim mit der Mehrheitsfraktion CDU die Weichen für regenerative Energie-Gewinnung gestellt. […] Bergheim bleibt besser…”, heißt es voller Stolz in ihrer Mitteilung vom 18.08.2019. (Achtung, das war Ironie!)


Anhang

1.) Zur Powerpointpräsentation “Bergheim im Strukturwandel”:

Mit Powerpointpräsentationen ist das so eine Sache. Auf schoop.me ist zu lesen (“Kritik an Powerpoint: Problematische Dominanz”):4

Inhalt und Form von Kommunikation bedingen sich gegenseitig. Das heißt: Das gewählte Kommunikationsformat beeinflusst auch die Inhalte, die kommuniziert werden. […] Der bürokratisch tätige Manager, der versucht, die Entscheidungsprozesse des Unternehmens nach seinen Vorstellungen zu beeinflussen, arbeitet von Anfang an daraufhin, eindrucksvolle Powerpoint-Präsentationen zu erzeugen. Denn alle relevanten Gremien erwarten genau das: Eine beschlussfähige Präsentation. […] Powerpoint-Präsentationen ermöglichen und fördern eine extreme Schwammigkeit. Es ist völlig zulässig und hinreichend gewöhnlich, auf Folien Formulierung zu wählen wie: „Mitigation des Risikos“. In einem Fließtext würde auffallen, dass in der Substantiierung sowohl die handelnde Person verloren gegangen ist, als auch der Zeitpunkt der Handlung: Soll es erst noch passieren? Passiert es gerade oder ist es schon passiert? Und wer eigentlich hat agiert, agiert oder soll agieren? In Powerpoint-Präsentationen kommt man damit problemlos durch. […] Insofern ist inhaltliche Leere und Substanzfreiheit sogar ein Stück weit die Voraussetzung für eine gute Powerpoint-Präsentation.

“Bergheim im Strukturwandel” ist — wie die “Digitalisierungsstrategie der Stadt Bergheim” — ein Beispiel für eine typische fragwürdige Powerpoint-Präsentation. Nur ein paar kritische Anmerkungen: Auf Seite 2 wird gefragt: “Warum brauchen oder haben wir einen Strukturwandel?”. Das sind eigentlich zwei verschiedene Fragen: 1.) Warum brauchen wir einen Strukturwandel? 2.) Warum brauchen oder haben wir einen Strukturwandel? Auf Seite 3 werden diese Fragen verkürzt auf “Warum Strukturwandel?” Darunter werden vier “Antworten” (jeweils mit Pfeil) aufgelistet:

Klimawandel
Wir müssen Lebensgewohnheiten umstellen
Das erfordert Umdenken!
Politischer Wille: Weg von fossilen, hin zu “Erneuerbaren Energien”

Soll “Das erfordert Umdenken!” eine Antwort sein auf die unvollständige Frage “Warum Strukturwandel?”? Welche Lebensgewohnheiten angeblich umgestellt werden müssen, wird nicht gesagt.

Das fängt schon nicht überzeugend an. Auf Seite 12 wird gefragt: “Was steht im derzeit [sic!] Entlastungspaket Kernrevier?” Es werden “mögliche Maßnahmen” aufgelistet, unter anderem: “Wirtschaftsnahe Infrastruktur”, “Verkehr”, “öffentliche Fürsorge”. Inwiefern sind das “Maßnahmen”? Geht es vielleicht etwas konkreter? Auf Seite 18 wird gefragt: “Wo stehen die Bergheimer Projektideen?” Hier werden drei Punkte aufgelistet; ob sie auf die Frage “Wo?” eine Antwort geben, erschließt sich uns nicht:

Bergheim- KI, Natürlich!
DiGeSt, Digitale Gemeinschaftsstadtwerke (Energieversorgung Versichern [sic!])
Kraftraum-Shuttle

“Bergheim- KI, Natürlich!” — ??? “Energieversorgung Versichern” — ??? Sorry, das ist nicht mehr zu verstehen.

Auf Seite 19 werden unter der Überschrift “Erarbeitung weiterer Projektideen” aufgelistet, unter anderem:

• Wärmespeicherkraftwerk
• Gemeinsame Flächenentwicklung :terra nova und ehem. Kraftwerkfläche BOA+
• Kraftraumprojekt: Bildungsschloss Paffendorf
• Klimahülle
• Haus der Vielfalt
• FUTURA
• S-Bahn
• Martinswerke

Was genau dahintersteckt, wird nicht gesagt. Ein durchdachter, zusammenhängender Plan fehlt.

2.) Weitere Ergebnisse bei der Suche nach “Energie”, “Klimaschutz” und “Photovoltaik” auf bergheim.de (Liste nicht vollständig):
  • “Energiebeauftragter”: Man erfährt, dass Bergheim seit dem Jahr 2008 “einen städtischen Energiebeauftragten” habe. Der sei zuständig für alle Energie-Fragen der Stadt und habe “bereits viele Projekte zum Energiesparen und zur energetischen Sanierung von städtischen Gebäuden” verwirklicht. Welche Projekte das genau sind, erfährt man nicht.
  • Unter “Bergheim, eine Stadt voller Energie” wird das Kraftwerksstandort Niederaussem als das “Innovationszentrum Kohle” bezeichnet. “In Bergheim-Niederaussem wurde das BoA-Kraftwerk- Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik- gebaut, eine zukunftsweisende Kraftwerkstechnik die Maßstäbe setzt.” Der Text stammt vermutlich aus einer Zeit, bevor der Kohleausstieg beschlossen wurde.
  • Unter “Erneuerbare Energien in Bergheim” sieht man in der Hauptspalte lediglich eine etwas geheimnisvolle Grafik. In der kleinen Spalte rechts finden sich Links zu Presseberichten aus den Jahren 2011 und 2012 sowie zum die Powerpointpräsentation “Energiekonzept der Kreisstadt Bergheim” aus dem Jahre 2012. Urheber dieses Konzepts waren die Stadtwerke Bergheim unter der Geschäftsführung von Volker Mießeler, der inzwischen — seit 2017 — Bürgermeister von Bergheim ist. Warum wird auf dieses Konzept nicht an zentraler Stelle, unter Klimaschutz, hingewiesen?
  • Diese Seite informiert über die sogenannte Energiekarte. Der dort vorhandene Link zur Energiekarte führt zu einer alten fehlerhaften Seite des Rhein-Erft-Kreises. Der Link zum Erhebungsbogen ist tot.



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Fußnoten:

  1. Die Bergheimer Bürgerin Susanne Boehncke hatte hierzu eine wichtige Anregung gegeben.
  2. Screenshot der Seite “Strukturwandel & Klimaschutz” (https://www.bergheim.de/strukturwandel-klimaschutz.aspx) vom 03.08.2020 (Ausschnitt):
  3. Screenshot der Seite http://aachen.de/DE/stadt_buerger/energie/index.html vom 03.08.2020:
  4. Zwei weitere kritische Kommentare zu Powerpoints findet sich hier und hier.

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